Märker | Nein zu dicken, feuchten Küssen

Wie Claras Geheimnis ein Tabu bricht: Die Vorschüler der Mosaikschule lernen im Puppenspiel das Mädchen Clara kennen. Die hat eine wichtige Botschaft…

Wie Claras Geheimnis ein Tabu bricht

Dagmar Möbius

Kinder dürfen Nein sagen. Was sie nicht wissen: auch ihre Eltern, Lehrer und Erzieher sind geschult und für die Prävention von sexuellen Übergriffen sensibilisiert.

Absolute Stille. Dann ertönt ein Gong. 14 Vorschüler schauen gespannt auf die Bühne. Welche Geschichte sie erwartet, wissen sie noch nicht. Clara ist allein zu Haus. Sie wohnt in einem Haus am Wald, der Vater sammelt Holz, die Mutter hütet die Schafe. Puppenspielerin Ingeborg Kolisch fragt: „Hat Clara Angst?“ Einstimmiges, entschlossenes Nein. „Ist ihr langweilig?“ Hier teilen sich die Meinungen. „Nein“, klärt die Erzählerin auf, „Clara bastelt und malt viel, hängt ihre Bilder auf und – au – manchmal haut sie sich mit dem Hammer auf die Finger.“ Die Kinder lachen. In der folgenden halben Stunde lernen sie die Maus Elfriede, Tante Piesepampel, Onkel Karl und Claras Eltern kennen. Mit Elfriede spielt Clara Käse-Quartett. Die Opern trällernde Tante knutscht Clara immer wieder ab. Fette, feuchte Küsse sind ihr unangenehm. Aber Nein zu sagen, traut sie sich nicht. Elfriede ist rigoroser und ermuntert Clara zu einem zaghaften Nein. Zu leise. Die Maus hat eine Idee: „Dann sing doch: nein, lass das, ich will das nicht.“ Die Kinder singen mit. Text und Melodie sitzen sofort. Dann erscheint Onkel Karl. Er kommt Clara immer wieder zu nahe, macht anzügliche Bemerkungen. Als die Mutter heim kommt, verschwindet er schnell. Clara soll nichts verraten. Aber was? Sie fühlt sich unwohl und offenbart sich ihrer Mutter. Onkel Karl soll nicht mehr zu Besuch kommen, wenn sie allein zu Hause ist. Die Mutter geht sofort los und sagt dem Onkel die Meinung. Beim Essen singen Clara und Elfriede ihr neues Lied vor. Ende. Angela Kunz, die zweite Puppenspielerin, tritt vor die Kinder: „Was hat Euch am besten gefallen?“ „Das Neinsage-Lied“, kommt es wie aus einem Mund. Alle singen es noch einmal gemeinsam. Zum Abschied bekommt jedes Kind ein Clara-Lesezeichen geschenkt. Beim Hinausgehen sagt ein Mädchen: „Clara war ja lustig.“ Ein anderes seufzt: „Das war schön!“

Seit 2007 arbeiten die Sozialpädagoginnen Ingeborg Kolisch und Angela Kunz vom Verein Dreist mit Puppen. Dessen geschlechtsspezifische Bildungs-, Sozial- und Beratungsarbeit beinhaltet auch die Prävention von sexuellem Missbrauch. Nach wie vor ein Tabuthema. „Wo fängt Missbrauch an und überfordert man die Kleinen damit nicht?“ Solche Bedenken hört Anke Sieber vom Vorstand immer wieder. Deshalb führt sie regelmäßig Elternabende durch. „Da gehen manchem schon mal die Emotionen durch“, berichtet sie. Das Bewusstwerden von Gedankenlosigkeit und übergriffigem Verhalten löst mitunter heftige Abwehr aus. Andererseits äußern viele Eltern Gesprächsbedarf und sind dankbar für praktische Alltagstipps. Das bestätigt Schulleiterin Regina Kuntsche. „Prävention ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Schularbeit“, ist sie überzeugt und freut sich, dass der Träger, die Jugend- und Sozialwerk gemeinnützige GmbH, das Angebot unterstützt. Sie lobt, dass grundsätzlich Pädagogen, Eltern und alle Schüler einbezogen werden. In der Mosaikschule ist das ganze Team geschult, sogar der Hausmeister. „Uns ist wichtig, ganzheitlich und nachhaltig zu arbeiten“, erklärt Angela Kunz. Hauptanliegen ist, die Angst vor dem Thema zu nehmen und zu vermitteln, was Erwachsene tun können, wenn sich Kinder anvertrauen. „Kinder sollen lernen, Nein zu sagen, wenn ihnen etwas unangenehm ist.“ Einige Tage nach dem Puppenspiel werden sie das noch einmal vertiefen. Spielerisch. Und ohne dass sie Claras Geheimnis in Worte fassen.

Foto: Dagmar Möbius

Das Stück über Clara und ihre Freundin Maus Elfriede haben die Sozialpädagoginnen Ingeborg Kolisch und Angela Kunz für das Projekt „Spielgrenze“ selbst geschrieben. Eine Profipuppenspielerin brachte ihnen Kniffe bei und eine Therapeutin prüfte die Vorstellung. Der Verein Dreist leistet Präventionsarbeit gegen Gewalt, sexuelle Belästigung oder virtuelles Mobbing für diverse Zielgruppen und verschiedene Altersstufen.

Quelle: Märker, 30.11. 2013
www.dreist-ev.de

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