Blitz | Kindeswohl vor Datenschutz

Eberswalde/Lobetal (wlr). „Was uns gelungen ist, ist alle an einen Tisch zu bringen“, sagt Anke Sieber vom DREIST e.V. Dieser, zusammen mit weiteren freien Trägern des Kinder- und Jugendschutzes, hatte vergangene Woche flächendeckend in die Hoffnungstaler Anstalten Lobetal eingeladen, um ein „Barnimer Netzwerk Kinderschutz“ zu gründen. Und zwar unter Beteiligung des Jugendamtes sowie einer möglichst großen Zahl von weiteren, an dem Schutz des Kindeswohls beteiligter Akteure. Dies sei allerdings nicht ganz gelungen. „Wir wurden beauftragt, eine Konzeption zu erstellen. Wenn diese fertig ist, möchte das Jugendamt entscheiden, ob es dem Netzwerk beitreten möchte“, sagt Sieber.

Seit fünfzehn Jahren sei sie daran interessiert, kommunale und freie Träger in einem Netzwerk zu vereinigen, sagt sie. Als der Landkreis Barnim im vergangenen Jahr eine Steuerungsgruppe AG Kinderschutz gründete, wurde den freien Trägern in Aussicht gestellt, dass auch sie an dieser AG teilnehmen könnten. Das ist bisher nicht geschehen.

Stattdessen sind die Aufgaben klar verteilt. Die freien Träger sind eine Art Bindeglied zwischen den Kitas, Schulen oder Familien und den Behörden. An dieser Rollenverteilung möchte die Sozialdezernentin des Landkreises Barnim, Silvia Ulonska, auch festhalten.

„Die freien Träger sollen hingucken, erkennen und melden. In der Steuerungsgruppe sind die Leute, die eingreifen“, sagt Ulonska. Die Steuerungsgruppe vereint die Akteure, die letztlich die legale Entscheidungsgewalt haben.

Es ginge darum, Kooperationen mit den freien Trägern, Schulen, Kitas, Polizei und Staatsanwaltschaft zu schließen, um eine Verlässlichkeit herzustellen. So gibt es zum Beispiel in den Schulen einen festen Ansprechpartner, der auch geschult ist, bei Kindesmissbrauch einzugreifen. Dennoch fühlen sich die freien Träger außen vorgelassen. Daher die Initiative, ein eigenes Netzwerk, idealer Weise unter Beteiligung des Jugendamtes zu gründen. „Grundsätzlich hatten wir ein positives Signal des Jugendamtes, aber wir haben am Tag der Gründungsveranstaltung keine feste Zusage bekommen“, sagt Anke Sieber.

Silvia Ulonska ist optimistisch, dass sich in absehbarer Zeit was ändern wird.
Die Kritikpunkte aus den Reihen der freien Träger seien ihr auch bekannt.
Die Träger bemängeln zum Beispiel, dass sie keine Rückmeldung vom Jugendamt darüber bekommen, ob und wie in einem Fall von vermutetem Kindesmissbrauch das Jugendamt agiert. „Wir verlieren da an Glaubwürdigkeit, wenn uns die Kita-Leiterin anspricht, ob denn nun was passiert ist“, erklärt Sieber. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass es Unklarheiten über den Umgang mit dem Datenschutz gibt. Wer darf was wann sagen, lautet die Frage. Für Sieber ist die Antwort klar: „Kindeswohl geht vor Datenschutz“.

Aber er behindert die Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren. Der Kinderarzt verschweigt der Kita, dass ihm was aufgefallen ist, die Kita hat auch was bemerkt, verfolgt die Anzeichen aber nicht weiter, weil es scheinbar keine Veranlassung gibt – obwohl tatsächlich mal genauer hingeschaut werden sollte, ob ein Kind gefährdet ist. Das neue Netzwerk zum Kinderschutz möchte gemeinsam Strukturen erarbeiten und Handlungsrichtlinien für alle festlegen, um eine Verlässlichkeit zu erreichen – zum einen für sich selbst, zum anderen für diejenigen, mit denen sie zusammenarbeiten.

Diese und andere Punkte, zum Beispiel die telefonische Erreichbarkeit werden demnächst im Jugendamt thematisiert. Auch die Sozialdezernentin zeigt Interesse daran, dass der Grad der Transparenz im Bereich Kinderschutz erhöht wird. „Kinderschutz ist uns wichtig und richtig“, sagt sie. Deshalb ist sie an einer engeren Zusammenarbeit durchaus interessiert. Seit dem 1. Januar dieses Jahres wurden dem Jugendamt 67 verdächtige Fälle von Kindesmissbrauch gemeldet. Keiner hat sich als Kinderschutzfall herausgestellt. Manchen Familien wurde Hilfe angeboten.

Quelle: Eberswalder Blitz

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